Achtung bei Ablehnung von Stellenbewerbern Auskunftsanspruch besteht nicht, Beweislastvorteil schon
Arbeitgeber müssen zukünftig verstärkt damit rechnen, von nicht berücksichtigten Stellenbewerbern auf Schadensersatz nach dem Antidiskriminierungsgesetz in Anspruch genommen zu werden, falls sie ihnen die Gründe für ihre Nichtberücksichtigung nicht mitteilen und erläutern.
Zwar hat der Europäische Gerichtshof entschieden, ein abgelehnter Stellenbewerber habe keinen Anspruch darauf, dass ihm der potenzielle Arbeitgeber mitteilt, wer stattdessen eingestellt wurde und nach welchen Kriterien. Eine vollständige Verweigerung von Auskünften
In diesem Zusammenhang legte der Europäische Gerichtshof dar, dass die Antidiskriminierungsrichtlinien des europäischen Rechts eine zweigeteilte Beweislast vorsähen: Der abgelehnte Stellenbewerber müsse Tatsachen nennen und gegebenenfalls beweisen, die den Verdacht einer Diskriminierung begründen. Gelinge ihm dies, sei es Sache des potenziellen Arbeitgebers, diesen Verdacht durch Angabe von Tatsachen zu entkräften.
Im vorliegenden Fall ging es um eine 45-jährige Ingenieurin russischer Herkunft, die sich auf eine Stelle als Softwareentwicklerin beworben hatte. Als sie keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhielt, dann aber feststellte, dass die Stelle ein weiteres Mal ausgeschrieben wurde und sie wiederum keine Einladung erhielt, verlangte sie von dem potenziellen Arbeitgeber Schadensersatz, weil sie wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden sei. Darüber hinaus verlangte sie, dass der potenzielle Arbeitgeber ihr die Bewerbungsunterlagen des eingestellten Konkurrenten zur Verfügung stelle, damit sie beweisen könne, dass sie über eine bessere Qualifikation verfüge.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen, das Bundesarbeitsgericht legte das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vor, damit dieser über die Auslegung des höherrangigen europäischen Rechts entscheide. Der Europäische Gerichtshof stellte fest, die deutschen Gerichte hätten die in den Antidiskriminierungsrichtlinien vorgeschriebenen Gleichbehandlungsziele zu beachten. Bei der Frage, ob genügend Indizien für eine Diskriminierung vorliegen, müssten daher alle Umstände berücksichtigt werden. Dazu zählte der Europäische Gerichtshof im vorliegenden Fall den Umstand, dass der potenzielle Arbeitgeber nicht bestritt, dass die Qualifikation der Bewerberin den Anforderungen der Stellenanzeige entsprach und dass die Stellenbewerberin von dem potenziellen Arbeitgeber nach Veröffentlichung der beiden Stellenausschreibungen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde.
Diese Umstände könnten in Verbindung mit der Tatsache, dass der potenzielle Arbeitgeber der Stellenbewerberin überhaupt keine Auskünfte gegeben habe, den Verdacht einer Diskriminierung begründen mit der Folge, dass dann der potenzielle Arbeitgeber überzeugende Tatsachen vortragen müsse, weshalb er sich für einen anderen Bewerber entschieden habe. Gelinge ihm dies nicht, könnten Schadensersatzansprüche der abgelehnten Bewerberin begründet sein.
(Quelle: Datev Blitzlicht 08/12, Datev eG, 90329 Nürnberg)